24
Mrz
2007

Partiale

Wie kaum eine andere Galerie in Deutschland hat ‘Der Bogen’ in Arnsberg immer großen Wert auf die handwerkliche Erarbeitung von Künstlerbüchern gelegt. Von den Materialbüchern des Jürgen Diehl, über die Schland-Box von Peter Meilchen, bis hin zu Haimo Hieronymus und A.J. Weigonis Erkundungen über die Möglichkeiten der Linie zwischen Schrift und Zeichnung findet sich eine Vielfalt des Ausdrucks, die ihresgleichen sucht.

Diese Tradition wird mit einer Katalogreihe fortgesetzt. Die quadratische Form der Kataloge hat sich als praktische Größe für die Abbildungen erwiesen. Dem Alphabetikon Katalog von Haimo Hieronymus folgte die mit dem lime_lab ausgezeichnete Wortspielhalle von Sophie Reyer und A.J. Weigoni, das von Karl Hosse angeregte Gezeitengespräch und die von Stephanie Neuhaus initiierte Super Speed Art Exhibiton Tour.

Das Schrift-Bild der Partiale verweist darauf, dass sowohl der Schrift als auch der Malerei dieselbe Struktur zugrunde liegt, bestehend aus diversen vordefinierten Strichen. Der Künstler malt Kreise und Rechtecke, die für Schriftzeichen vorgesehen sind, und macht damit auch deutlich, wie sehr Malerei und Schrift miteinander verbunden sind. Die Grenze von Schrift und Zeichnung ist eine Interzone des ‚Nochnicht’. Was des Lyrikers Gedichte in diesem Zusammenhang bedeuten, ist oft sekundär, sie verzaubern durch ihren Rhythmus, bei dem das Verstehen bisweilen in den Hintergrund rückt. Liest man sich diese Gedichte selbst laut vor, so kommt man dem Autor auf die Spur.

Die Entwicklungsgeschichte des in Siegen ausgebildeten Künstlers Haimo Hieronymus kann als Suchscheinwerfer auf die zerklüftete Landschaft der heutigen Malerei gedeutet werden. Er denkt mit Pinsel, Farbe und Graphit. Seine Partiale belegen die komplexen Herausforderungen einer aktuellen und originären Herangehensweise. Hier handelt es sich um die grundlegenden Fragen der Malerei: Duktus und Lineatur, Fläche und Tiefe, Kompositionen, die Spannung erzeugen, das Bild zusammenhalten und nicht auseinander fallen lassen. Valeur und Colorismus, Lasur, Lavur und das Pastose, Grenzen und das Fließen. Vielfach ist das Sichtbare im Sauerland, eine Architektur oder eine Situation der Nukleus eines Gemäldes. Hieronymus umkreist das Motiv malerisch, sperrt den vermeintlichen Inbegriff von Realität in ein wucherndes, malerisches Geflecht von Farben und angedeuteten Formen. Schicht um Schicht konstruiert er seine neuen Bilder, packt noch eine Farbe drauf, lässt Schlieren herunterlaufen und Linien, Flächen, Kreise durchschimmern. Diese Partiale zeichnen einen Weg nach, der von der Fotografie und Malerei verbindenden Collage über die Zeichnung wieder zur Malerei führt, mit Überkreuzungen, die von Skepsis, Rückbesinnung und steter Suche erzählen.

Das transitorische Element, das die Arbeit des bildenden Künstlers Haimo Hieronymus und des Schriftstellers A.J. Weigoni an dem Projekt Partiale durchzieht, zeigt sich bei der Präsentation. Es geht um Möglichkeiten der Entformung, einem Spiel mit den Wechselwirkungen von Verschriftlichung, Verbalem und Visuellem. Bildwirksam stehen die Gedichte an der Scheidegrenze zwischen Bild- und Bedeutungsträgern. Der Betrachter wird zum Spurensucher. Und dort, wo das Lesbare fehlt, darf sich der Fährtenleser den von der Farbe ausgelösten Empfindungen, dem Finden überlassen. Etwas Improvisiertes lebt in der Syntax dieser geschriebenen Bilder und der gemalten Worte, wir sehen das auf den ersten Blick nicht, weil es sichtbar ist, und es ist sichtbar, weil wir es lesen können.

Partiale von Haimo Hieronymus. Am 04.02.2016, ab: 19:00 Uhr in der IHK-Galerie, (Koblenzerstr. 121 / 57072 Siegen).
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Gedichten von A.J. Weigoni.
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